Gehen Menschen mit MS seltener zur Krebsvorsorge?

Ist das Krebsrisiko bei Menschen mit MS erhöht oder nicht? Wissenschaftler, die im MS-Programm der kanadischen University of British Columbia arbeiten, haben diese Frage erstmalig systematisch bearbeitet. Es zeigte sich, dass das Krebsrisiko bei Menschen mit MS (MmMS) insgesamt niedriger liegt als in der allgemeinen Bevölkerung. Wenn allerdings bei MS-Erkrankten Krebs gefunden wurde, so war dieser oft weiter fortgeschritten, was auf diagnostische Vernachlässigung hindeutet, so die Forscher.

Die Forschungsergebnisse in Bezug auf das Krebsrisiko bei MmMS waren bisher uneindeutig. Nur wenige Studien haben die Möglichkeit einer diagnostischen Vernachlässigung von Krebserkrankungen bei MmMS untersucht. Völlig unbekannt ist bislang, ob verschiedene Verlaufsformen der MS unterschiedliche Einflüsse auf das Entstehen einer Krebserkrankung haben.

Die kanadischen Forscher untersuchten das Krebsrisiko und die Größe vorhandener Tumore zum Zeitpunkt ihrer Diagnose bei MmMS im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung. Ferner analysierten sie, ob der Krankheitsverlauf der MS die Entstehung einer Krebserkrankung beeinflusst.

Klinische Daten von MS-Patienten, die in der kanadischen Provinz British Columbia (BC) wohnten und die eine der MS Spezialkliniken in BC zwischen 1980 und 2004 besucht hatten, wurden mit den Daten des Krebsregisters der Provinz abgeglichen. Die Patienten wurden ab der MS-Diagnose bzgl. des Auftretens einer Krebserkrankung beobachtet, und zwar bis sie aus der Provinz wegzogen, verstarben oder bis die Studie Ende 2007 geschlossen wurde. Diese Daten wurden mit denen der Allgemeinbevölkerung in BC verglichen.

Des Weiteren untersuchten die Forscher die Größe und Lokalisation der Tumoren zum Zeitpunkt der Diagnose. Bei der Größenbeurteilung konzentrierten sie sich auf Brust-, Prostata-, Darm- und Lungenkrebs
Es standen Daten von 6820 Patienten zur Verfügung, die über insgesamt 110.666 Patientenjahre nachverfolgt worden waren. Das Gesamtrisiko für die Entstehung von Krebserkrankungen sowie das spezifische Risiko für die Entstehung von Darmkrebs waren bei den untersuchten MmMS signifikant niedriger als in der Allgemeinbevölkerung.

Überraschenderweise fanden die Forscher bei MmMS größere Tumore zum Zeitpunkt der Diagnosestellung als in der Allgemeinbevölkerung; eine Tatsache, die sie als „diagnostische Vernachlässigung“ werteten. Dieses Ergebnis könnte wichtige Folgen für die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Lebensdauer von MmMS haben, schlussfolgern die Forscher.

Quelle:
MS-Gateway
Kingwell E, Bajdik C, Phillips N, Zhu F, Oger J, Hashimoto S, Tremlett H.
Cancer risk in multiple sclerosis: findings from British Columbia, Canada.
Brain. 2012 Jun 21. [Epub ahead of print]
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22730559