Vitamin D bei MS: Das 4-Jahreszeiten-Vitamin

Gleich drei unabhängige Studien, die jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Neurology“ veröffentlicht worden sind, befassen sich mit dem Thema „Vitamin D bei MS“. Alle drei zeigen im Ergebnis, dass höhere Vitamin-D-Spiegel sowohl die Schubzahl als auch die Läsionslast verringern können. Zwei dieser Studien gingen außerdem einem möglichen Zusammenspiel von einer Behandlung mit Beta-Interferon und Vitamin-D-Spiegeln nach – und ziehen unterschiedliche Schlüsse[1].

Niedrigere Vitamin-D-Spiegel hängen mit höherem Schubrisiko zusammen
Forscher der Erasmus Universität in Rotterdam fanden, wie schon mehrere Forschungsgruppen vor ihnen, einen Zusammenhang zwischen niedrigeren Vitamin-D-Spiegel und einem höheren Schubrisiko bei MS.[2] Sie untersuchten die Vitamin-D-Spiegel in Blutproben von insgesamt 73 Menschen mit schubförmig-remittierender MS, die im Abstand von 8 Wochen genommen worden waren. Die monatlich festgestellten Vitamin-D-Spiegel wurden in „niedrig“ (< 50 nmol/l), "mittel" (50-100 nmol/l) und "hoch" (> 100 nmol/l) eingeteilt.
Während der Studiendauer (durchschnittlich 1,7 Jahre/Patient) waren insgesamt 139 Schübe zu verzeichnen. Diese betrafen 58 der 73 Studienteilnehmer. Die Schubrate war signifikant niedriger bei höheren Vitamin-D-Spiegeln; die Wissenschaftler stellten einen direkten, linear verlaufenden Zusammenhang zwischen Schubrate und Vitamin-D-Spiegel fest. Bei jeder Verdoppelung der Vitamin-D-Konzentration verringerte sich die Schubrate um 27%.

Beta-Interferon und Vitamin D wirken gemeinsam auf das Schubrisiko
Australische Forscher berichten, dass sich Interferon-Beta und Vitamin D im Blutserum wahrscheinlich gemeinsam auf das Schubrisiko auswirken[3]. Sie hatten herausfinden wollen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Anwendung eines Beta-Interferons und Vitamin-D-Spiegeln im Blut gibt und ob sich die beiden Stoffe gegenseitig in ihrer Wirkung auf die Schubrate beeinflussen können.
Bei 178 Menschen mit klinisch gesicherter MS (MmMS) im südlichen Tasmanien bestimmten die Forscher zweimal jährlich den Vitamin-D-Spiegel und erhoben zusätzliche Daten mittels eines Fragebogens. Unter anderem fragten sie die Anwendung eines Beta-Interferons ab.
MmMS, die nach eigener Aussage ein Beta-Interferon anwendeten, hatten signifikant höhere Vitamin-D-Spiegel im Blut als jene, die kein Beta-Interferon spritzten. Dies hing damit zusammen, dass die Beta-Interferon-Anwender dreimal so viel Vitamin-D in der Sonne bildeten wie die Nicht-Anwender.
Wichtig zu bemerken ist, dass Vitamin-D nur bei MmMS, die Beta-Interferon einsetzten, mit einer niedrigeren Schubrate assoziiert ist. Ferner wiederum zeigten Beta-Interferone nur eine schubprophylaktische Wirkung bei MmMS mit höheren Vitamin-D Spiegeln, während bei MmMS mit niedrigen Vitamin-D-Spiegeln die Anwendung eines Beta-Interferons mit vermehrten Schüben assoziiert war.
Die Studiendaten entsprachen der Evidenzklasse III, was bedeutet, dass ihre Aussagekraft sehr begrenzt ist und in weiteren, robusteren Studien bestätigt oder widerlegt werden müsste. Die Forscher fassen ihre Ergebnisse so zusammen: Beta-Interferone werden mit einem verringerten Schubrisiko in Zusammenhang gebracht und dieser Effekt könnte durch einen positiven Effekt von Beta-Interferon auf Vitamin-D-Spiegel beeinflusst werden.

Vitamin D und Krankheitsaktivität vor und während einer Beta-Interferon-Behandlung
Da verschiedentlich hohe Dosen von Vitamin D als Zusatzmedikation zu Beta-Interferonen empfohlen werden, haben skandinavische Forscher das mögliche Zusammenspiel zwischen Vitamin D und Krankheitsaktivität bei MS betrachtet.[4] Mithilfe von mehrfachen Blutspiegelbestimmungen und MRT-Scans untersuchten sie den Einfluss des Vitamin-D auf die Krankheitsaktivität vor und während einer Behandlung mit einem Beta-Interferon.
88 Patienten mit schubförmig-remittierender MS, die bei Eintritt in die Studie kein Beta-Interferon anwendeten, nahmen an der Studie teil. Die Patienten hatten vor Studienbeginn entweder noch nie ein Beta-Interferon angewendet oder die letzte Anwendung lag länger als ein halbes Jahr zurück. Sie erhielten keine Ratschläge in Bezug auf die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten.
In der ersten Studienphase, die 6 Monate dauerte, wurden 7 MRT-Scans und 4 Blutabnahmen zur Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels durchgeführt. Anschließend begannen die Patienten eine Behandlung mit einem Beta-Interferon; ihre Läsionslast und ihre Vitamin-D-Spiegel wurden über die folgenden 18 Monate mit 5 MRT-Scans und 5 Blutabnahmen gemessen.
In der Phase vor Beginn der Beta-Interferon-Behandlung war jede Erhöhung des Vitamin-D-Spiegels im Blut um 10 nmol/l mit einer signifikanten Abnahme der Krankheitsaktivität im MRT assoziiert. Es fiel auf, dass diejenigen Patienten, deren Vitamin-D-Spiegel stärker schwankte, mehr neue Läsionen im MRT zeigten als jene mit einem relativ stabilen Spiegel. Nach der sechsmonatigen ersten Phase und nach Beginn der Beta-Interferon-Behandlung fanden die Wissenschaftler keinen Einfluss des Vitamin D mehr auf die im MRT gemessene Krankheitsaktivität.
Aufgrund des immunmodulatorischen Effektes von Vitamin D halten die Untersucher eine kausale Beziehung zwischen Vitamin-D Spiegeln und MRT Parametern für plausibel. Hier sind weitere Untersuchungen erforderlich.

Quellen:
MS-Gateway

[1] Ascherio A, Marrie RA.
Vitamin D in MS: A vitamin for 4 seasons.
Neurology. 2012 Jun 13. [Epub ahead of print]
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22700805

[2] Runia TF, Hop WC, de Rijke YB, Buljevac D, Hintzen RQ.
Lower serum vitamin D levels are associated with a higher relapse risk in multiple sclerosis.
Neurology. 2012 Jun 13. [Epub ahead of print]
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22700811

[3] Stewart N, Simpson S Jr, van der Mei I, Ponsonby AL, Blizzard L, Dwyer T, Pittas F, Eyles D, Ko P, Taylor BV.
Interferon-β and serum 25-hydroxyvitamin D interact to modulate relapse risk in MS.
Neurology. 2012 Jun 13. [Epub ahead of print]
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22700816
[4] Løken-Amsrud KI, Holmøy T, Bakke SJ, Beiske AG, Bjerve KS, Bjørnarå BT, Hovdal H, Lilleås F, Midgard R, Pedersen T, Benth JS, Sandvik L, Torkildsen O, Wergeland S, Myhr KM.
Vitamin D and disease activity in multiple sclerosis before and during interferon-β treatment.
Neurology. 2012 Jun 13. [Epub ahead of print]
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22700809