Zusatznutzen von Fampridin ist nicht belegt

Hersteller legt keine verwertbaren Studiendaten zur zweckmäßigen Vergleichstherapie vor
Fampridin (Handelsname Fampyra®) ist seit Juli 2011 in Deutschland für Patientinnen und Patienten zugelassen, die als Folge einer Multiplen Sklerose (MS), eine Gehbehinderung höheren Grades haben (Grad 4-7 auf der EDSS-Behinderungsskala). Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat den Zusatznutzen des Wirkstoffs gemäß AMNOG überprüft. Demnach gibt es keine Belege für einen Zusatznutzen. Denn der Hersteller hat in seinem Dossier keine verwertbaren Studiendaten für einen Vergleich von Fampridin mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie vorgelegt.

G-BA bestimmt Krankengymnastik als zweckmäßige Vergleichstherapie:
MS ist eine chronische, nicht heilbare entzündliche Erkrankung, bei der das eigene Immunsystem Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark schädigt. Bei manchen Patientinnen und Patienten sind Teile der Muskulatur dauerhaft verkrampft oder gelähmt. Wenn die Erkrankung weiter fortgeschritten ist, können Betroffene eine Gehbehinderung entwickeln.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat Krankengymnastik als zweckmäßige Vergleichstherapie für die Nutzenbewertung festgelegt, wobei diese den Anforderungen der Heilmittelrichtlinie entsprechen muss. Zudem müssen die Patientinnen und Patienten eine optimierte Standardtherapie für MS erhalten.

Anforderungen an indirekten Vergleich nicht erfüllt:
Studien, die die Behandlungen mit Fampridin und mit Physiotherapie direkt miteinander vergleichen, gibt es nicht. Ersatzweise legt der pharmazeutische Unternehmer Daten aus einem indirekten Vergleich vor. Sie stammen aus Studien, in denen jeweils Fampiridin gegen ein Scheinmedikament oder Krankengymnastik gegen „keine Behandlung“ getestet wurden.

Zwar sieht die Rechtsverordnung zum AMNOG ausdrücklich vor, dass es möglich ist, einen Zusatznutzen auch mittels indirekter Vergleiche zu belegen. Allerdings gelten hier bestimmte methodische Voraussetzungen, die der Hersteller in seinem Dossier zu Fampridin nicht erfüllt.

Behinderungsgrad unterscheidet sich deutlich:
Zudem sind die Studien, die der pharmazeutische Unternehmer zur Physiotherapie ausgewertet hat, nicht verwertbar. Denn im Gegensatz zu den Studien zu Fampridin wurden dort auch Patientinnen und Patienten mit einem deutlich niedrigeren Grad von Behinderung (EDSS-Wert ab 1,5) eingeschlossen. Dadurch waren die jeweiligen Populationen nicht ähnlich genug, um die Ergebnisse miteinander vergleichen zu können.

Schließlich geht der Hersteller im Dossier nicht darauf ein, ob die in diesen Studien getestete Physiotherapie den Kriterien der Heilmittelrichtlinie entsprach und wenn nein, warum aus seiner Sicht dennoch Aussagen für die Situation in Deutschland aus diesen Studien abgeleitet werden können. Auch zur Frage, ob die Patientinnen und Patienten tatsächlich eine optimierte MS-Standardtherapie bekamen, äußert sich der Hersteller nicht. Beide genannten Punkte sind aber Voraussetzungen, die der G-BA für die zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt hat.

Für die Bewertung des Zusatznutzens von Fampridin hat der Hersteller also keine verwertbaren Studien zur zweckmäßigen Vergleichstherapie und damit auch keinen verwertbaren indirekten Vergleich vorgelegt. Somit gibt es keine Belege für einen Zusatznutzen von Fampridin.

Quelle: IQWIG- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen